Sikkim
In einem Zauberland
Zwischen den Zeiten,
In dem die Gegenwart Königin
In einem von Himmel
Und Erde erträumten Reich ist,
In dem die Steine
Geschichten erzählen
Von einem Meer,
In dem ein versunkenes Schiff
Goldene Schätze birgt,
In dem die Berge
Sich freundlich neigen
Und mit den Wolkenschwaden spielen:
In diesem Zauberland
Zwischen den Zeiten
Beginne ich zu verstehen,
Dass Wachen und Schlafen
Geschwister sind,
Und ein dritter Zustand,
Von dem die moosbegrünten
Steine wissen,
Mein Schlüssel zum Tor
des Diamantentempels sein wird.
1993 habe ich dieses Gedicht während meines vierwöchigen Aufenthaltes in Sikkim geschrieben. Es ist sowohl Ausdruck meiner innigen Resonanz mit diesem Teil der Erde als auch meines tiefen Austauschs, den Gaia mir dort gewährte. Seither nenne ich Sikkim meine Seelenheimat, weil sie mich nährt, lehrt und inspiriert.
Beschreibung Sikkims
Sikkim liegt im östlichen Himalaja und grenzt im Norden an Tibet, im Osten an Tibet und Bhutan und im Westen an Nepal. Im Süden ist Sikkim mit Indien verbunden und dessen jüngster Bundesstaat. Noch bis 1975 war Sikkim ein buddhistisches Königreich.
Die Landschaft ist geprägt von hohen Schneebergen, dessen höchster, der 8586 m hohe heilige Berg Khangchendzonga von den Ureinwohnern als Sitz der Ahnen und Sitz der Götter hoch verehrt wird.
Khanchendzonga gilt als Schutzgottheit Sikkims und so verwundert es nicht, dass sein Gipfel von niemanden betreten werden darf. Lediglich Schneeleoparden werden hie und da in der Nähe des Berges, im Schutzbereich des Nationalparks gesehen.
So karg und unnahbar sich die kühlen Berge des Himalaja zeigen, so grün und fruchtbar sind Sikkims Flusstäler und die Erhebungen der Himalaja-Ausläufer. Dichte Wälder mit moosbegrünten Bäumen, auf denen Orchideen wachsen, mit Bambus, Rhododendron, Magnolien und mehr als dreißig Farnarten sind die Aufenthaltsräume von Affen, Wildschweinen, Roten Pandas, unzähligen Vogelarten und unsichtbaren Wesen, deren Präsenz beinahe grobstofflich zu spüren ist.
In den Flusstälern und an Berghängen wachsen bis auf ca. 1700 m Höhe Guavenbäume, Kiwis, Mangos, Mandarinen, Bananen. Es gibt keine riesigen Plantagen, sondern vielmehr kleine, vielseitig bewirtschaftete Bauernhöfe mit Terrassenfeldbau. In Sikkim wird seit Ende Dezember 2015 ausschließlich Ökolandbau betrieben. Die bedeutendsten Produkte sind neben den Mandarinen der schwarze Kardamom, Ingwer, Reis, Hirse und viele Arten von Gemüse und Küchenkräutern. Seit kurzem wird versucht den Anbau von Safrankrokussen zu kultivieren.
Sikkims Ureinwohner sind die Lepchas und Bhutias, jedoch bilden diese beiden indigenen Völker heute die Minderheit, denn das Land wird hauptsächlich von nepalesischen Einwanderern bewohnt.
Lepchas und Bhutias haben ihre spirituellen Wurzeln im Animismus, Schamanismus und Vajrayana – Buddhismus Tibets (Nyingma-Linie).
Neben Ladakh gehört Sikkim zu den am stärksten buddhistisch geprägten Regionen Indiens. Verehrt wird vor allem Guru Padmasambhava, auch Guru Rinpoche, „Kostbarer Lehrer“ genannt. Ihm wird zugeschrieben, im 8. Jahrhundert den Buddhismus in Tibet und der Himalajaregion etabliert zu haben. Dies soll ihm durch die Bezwingung von Dämonen und lokalen Gottheiten sowie durch einen Ritualtanz gelungen sein, mit dem Ziel der Kooperation: die aggressive Kraft der Dämonen transformierte er durch sein rituelles Handeln oft in beschützende Kraft. Sein Tun gilt unter anderem als eines der frühesten Zeugnisse geomantischer Arbeit, unter anderem, weil er den vorteilhaftesten Ort für die Gründung des ersten buddhistischen Klosters in Tibet durch geomantische Mittel erspürte.
Besondere Verehrung genießt zudem die Boddhisattvi Tara (weibliche Manifestation erleuchteter Weisheit, Träne des Mitgefühls) in ihrem grünen und roten Aspekt und Chenrezig (Avalokiteshvara, Boddhisattva des universellen Mitgefühls).
Verehrung, Gebete und Rituale finden nicht nur in den Gompas (Tempeln), sondern vor allem auch in der Natur statt: unter alten Bäumen (Krönungsplatz Norbugang in Yuksam), auf Hügelgipfel wie Thendonglho (heiliger Berg der Lepchas), Pawo Hungri (Hügel der Naturgeister und Dämonen), Tashiding („das Herz Sikkims“, spirituelles und geomantisches Zentrum Sikkims) und insbesondere in Höhlen. Dabei gelten die vier heiligen Höhlen, die um den heiligen Berg Tashiding liegen, als besonders verehrenswert und machtvoll. Eine Pilgerreise zu diesen vier Höhlen, die mitunter sehr schwer und nur nach mehrtägiger Wanderung erreichbar sind, erzeugt besondere Verdienste für einen Selbst, für die Mitmenschen und Mitwesen.
Meine geomantische Pilgerreise zu den vier heiligen Höhlen
21.12.2023 – 11.1.2024
Dreißig Jahre nach meiner ersten Begegnung mit dem Zauberland Sikkim im Himalaja machte ich mich im Dezember 2023 wieder auf, um dort zentrale Kraftorte zu besuchen und geomantisch zu erfassen. Im Mittelpunkt sollte der Besuch der vier Heiligen Höhlen stehen.
Das Besondere an den Höhlen ist ihre Lage. Denn sie sind im Osten, Süden, Westen und Norden des heiligen Bergs und buddhistischen Klosters Tashiding zu finden und bilden sozusagen das Sonnenrad, das Lebensrad im Landschaftsraum ab.
Tashiding (1465 m) Planetenresonanz Erde, Sonne, Merkur
Auf einem Berg, dessen perfekte Form von allen Himmelsrichtungen aus gesehen gleich aussieht, liegt das Kloster Tashiding umgeben von vielen Stupas. Auch eine kleine Höhle und zwei Krematoriumsplätze finden sich dort oben im Herzen Sikkims, auf dem heiligen Urgrund, Orakelplatz und spirituellem Zentrum. Einmal im Jahr findet hier das Bumchu Ritual statt. Kurz nach Tibetisch/Chinesisch Neujahr wird ein großes, altes, mit Wasser gefülltes, heiliges Gefäß, das sich im Haupttempel des Klosters befindet, von einem Mönch geöffnet und anhand des Wasserstands im Gefäß die Zukunft Sikkims vorhergesagt.
Langsam gehe ich die Treppen, die zum Gipfelplateau führen hinauf, um das Kloster zu besuchen. Mit jedem Schritt spüre ich die Kraft und das dichte Energiefeld, das sich hier aufgebaut hat. Oben angekommen betrete ich den Haupttempel, um für eine Weile zu meditieren und mich an den dynamischen und doch zentrierten Energiefluss zu gewöhnen.
Nach einer Weile sehe ich ein Portal, das tief in die Erde hineinführt und gleichzeitig nach oben hin geöffnet ist, weit in den Himmel hinauf. Die Erde öffnet sich dem Himmel, Gaia empfängt den Kosmos. Obwohl auf einem Berg gelegen, ist die Grundqualität des Energiefeldes weiblich. Assoziationen, die wie Blumen um mich herum erblühen sind Intuition, im Fluss sein, Mitgefühl, Fruchtbarkeit, Heilung, Botschaft, Reinheit.
Ich verlasse den Tempel wie in Trance und meine Füße tragen mich zum eingefriedeten Bereich der Chörten (Stupas), in denen sich Reliquien von bedeutenden buddhistischen Lehrern (Rinpoches) befinden. Hier gibt es nicht den Hauch einer Todesstimmung, sondern den Gleichklang von Vergänglichkeit und Wiedergeburt.
Einige Mönche umkreisen immer wieder den von ihnen gewählten Chörten. Sie vollziehen die Kora, die rituelle Umrundung eines Heiligtums im Uhrzeigersinn. Ich höre den Vögeln zu, lausche dem Spiel des Windes in den Blättern der Bäume. Mein Herz geht auf, ganz und gar, je tiefer ich mit diesem Ort verschmelze. So viel Liebeskraft und Weisheit!
Heiter und beschwingt freue ich mich auf meine Unternehmung: die Kora um den Heiligen Berg, um das Kloster Tashiding, den Besuch der vier Höhlen, die mich im weiten Abstand um den Berg herumführen. Es geht die Legende, dass in all diesen Höhlen Guru Padmasambhava meditiert haben soll und teilweise mit mächtigen Erddämonen kämpfte, sie besiegte und zu Schutzwesen transformierte.
Die geheime Höhle des Ostens: Sharchokphephug (ca.1200 m über NN) Planetenresonanz: Mond
Die Höhle iegt etwas südöstlich von Tashiding und ist nach einem kurzen Fußweg von der unbefestigten Straße aus leicht zu erreichen.
Nach Darbringung meiner Opfergaben (Begrüßungsschal, Butterlampen und Wacholderräucherung) an dafür vorgesehener Stelle, betrete ich die Versturzhöhle, die sich anfänglich durch das durch einen „Kamin“ von oben einfallende Tageslicht als leicht begehbar erweist.
Mit jedem Schritt trete ich aus dem Alltagsgeist heraus in eine andere Dimension der Wahrnehmung. Über Felsen und Leitern klettere ich in einen immer enger und dunkler werdenden Höhlengang, so lange bis ich in dem immer dichter werdenden Energiefeld „hängenbleibe“. Die geheime Höhle ist, so scheint es mir, so geheim, dass vermutlich jede Pilgerin, jeder Pilger, seine eigene „Höhle“ im Felsengang findet. An geeigneter Stelle entzünde ich meine kleinen Wacholder-Räucherzöpfe, lösche meine Stirnlampe und setze mich auf einem Felsenvorsprung nieder zur Meditation.
Nach und nach bringe ich meinen Atem in Einklang mit meiner Umgebung, versuche ganz und gar hier anzukommen und – nicke ein. Wie lange? Ich weiß es nicht. Was dann wie ein Gemälde in mir auftaucht, ist die Zahl 9,9,9,9, … Und im gleichen Augenblick weiß ich, dass sie die Beschreibung meines spirituellen Lebensrhythmus darstellt: Alle neun Jahre erlebe ich einen Neuanfang, eine Erweiterung, trete ich in einen neuen Entwicklungsprozess ein.
Ich empfinde ich eine unbeschreibliche Klarheit und weiß, dass ich nicht allein in diesem Höhlengang bin. Ahnenkraft umgibt mich, ich spüre die starke, wurzelgleiche Rückverbindung zu Mutter Erde und gleichzeitig Zuversicht für den Aufbruch ins Neue. Verwurzelt fließen. Aus dem Alten erwächst das Neue, aus dem Kompost erwachsen die Blumen, Rhythmus, Zyklus, einatmen, ausatmen.
Langsam gleite ich hinüber in mein Alltagserleben, bewahre das Geschaute in meinem Herzen. Die Stirnlampe erhellt wieder den Raum, ich sehe die veraschten Räucherzöpfe und dabei fällt mir auf, dass ich den Wacholderduft, der sonst so intensiv ist, nicht gerochen habe. Es ist, als hätten Wesen den Duft „verspeist“.
Die geheime Höhle der Gebärmutter der Dakini im Süden: Khandrusangphug (ca. 800 m über NN) Planetenresonanz: Mars und Venus
Zur Höhle Khandrusangpo gelange ich nach einer mehrstündigen Fußwanderung in ein Flusstal hinunter. Einheimische hatten einen Pfad gewiesen, den es eigentlich nicht mehr gab, da er nur noch selten begangen wird und der Monsunregen Teile des Pfades weggewaschen hatte.
Nur die grobe Orientierung anhand des Flusslaufs ließ mich darauf vertrauen auf dem Weg zur Höhle zu sein.
Die Höhle der Dakini im Süden befindet sich neben der von vielen Menschen besuchten Thermalquelle Reshi Hotspring am Fluss Rangit.
Dakinis sind Himmelswandlerinnen, friedvolle oder zornige weibliche Geistwesen, die den Menschen auf seinem spirituellen Weg begleiten. Der Zugang zur Höhle ist künstlich befestigt und ausgebaut. Durch den Badebetrieb an der Thermalquelle finden sich hier viele Menschen aus Sikkim, Indien und Bhutan ein, um nicht nur Heilung durch ein Bad in der Thermalquelle zu finden, sondern auch Gebete in der Höhle zu verrichten.
Ein buddhistischer Mönch, der seit vielen Jahren sein Leben in der Höhle verbringt, betreut freundlich den Gästestrom und nimmt ununterbrochen Mantras murmelnd die Opfergaben entgegen, die er im Höhlenvorraum unter einem großen, aus Stein natürlich geformten Herzen liebevoll niederlegt: Khatas (Begrüßungsschals), Butterlampen, kleine Statuen von Buddha, von Guru Padmasambhava, von Tara, Räucherwerk und vieles mehr. Das Energiefeld lässt sich als warm, ruhig, entspannend beschreiben. Durch einen Spalt im Felsen fällt Licht von oben in den Raum, der zu einer Seite zudem etwas nach außen geöffnet ist. Es ist nicht schwer, hier das Portal zur Parallelwelt der Sidhe wahrzunehmen, ihre Anwesenheit zu spüren, ihre Leichtigkeit. Der Rauch, der vom Räucherwerk nach oben strebt, tanzt, beschreibt Gestalten und lässt mich lange Zeit dort in stillem Betrachten verweilen.
Die innere Höhle zu betreten, entschließt sich kaum ein Mensch, denn man gelangt dorthin nur kriechend. Wie ein Reptil schlängele oder krieche ich bäuchlings und auf allen Vieren den waagrechten Gang entlang immer auf der Hut vor kantigen Ausbuchtungen an der Decke. Dies ist keine Versturzhöhle, sondern eine echte Höhle, die sich in das Gestein erstreckt.
Am Ende des Ganges, der mich an die Schrazlgänge (Erdställe) im Bayerischen Wald erinnert, weitet sich der Raum etwas und ich gelange in die kleine ca. 4 qm große, sehr niedrigen Hohlraum, in dem sich eine größere vergoldete Statue des Guru Padmasambhava befindet. Hier kann ich wenigstens sitzen, die Luft ist arm an Sauerstoff, eine Kerze flackert unruhig vor der Statue. Hier also soll der Kampf des Guru Padmasambhava mit einem starken Dämon stattgefunden haben, von dem er sich während seiner Meditation ständig gestört wurde.
Je länger ich sitze, desto mehr macht sich in mir die archaische Kraft von Mutter Erde breit, ich nehme die sogenannte Unterwelt wahr und den Zugang zu Wesen, deren Kraft furchterregend zu sein scheint: es ist die Drachenkraft, die Urkraft. Und alles, was ich imstande bin zu tun, ist totale Hingabe an das, was gerade ist. Worte sind zu klein, um diese Erfahrung zu beschreiben. Irgendwann trete ich aus Angst vor Sauerstoffmangel den Rückweg an. Und als ich mich kriechend dem Ausgang zu bewege, verdichtet sich ein Gefühl in Worte und eine vehemente Botschaft taucht auf: „Deine Ausrichtung im Leben muss klar und bedingungslos sein, ungeteilt und ohne Kompromisse. Die Drachenkraft wirkt dann zentriert (gebändigt), wenn du in dir selbst klar und fokussiert bist, und stark genug diese Klarheit zu halten.“ In meiner augenblicklichen Situation, in der ich mich bäuchlings, mit dem Kopf zuerst wie durch einen engen Geburtskanal bewege, versuche ich diese Botschaft zu ignorieren, nur noch raus hier, denke ich, doch die Sinnhaftigkeit der Information, hat sich bereits in meine Körperzellen „gefressen“.
Im Vorraum der Höhle angekommen, spüre ich Glück, Wärme und Geborgenheit, ich atme auf. Der Mönch kommt auf mich zu, führt mich zum Altar der roten Tara und fordert mich auf, eine Butterlampe für die Bodhisattvi zu entzünden. Anschließend lasse ich mich in der Nähe des Altars nieder und versuche zur Ruhe zu kommen.
Drachen- und Feenkraft erlebe ich hier so eng beieinander, beide sind zuhause im Stein, im Felsen, in einer Höhle am Rande des Flusses und der heißen Quelle. Heilung durch die lebendige Dynamik von Mutter Erde.
Draußen am Ufer des Flusses Rangit höre ich folgende Worte: nicht nur die Höhlen, Berge und Flüsse sind dir ein Segen, sondern auch du bist ein Segen für diese Orte. Vergiss das nicht!
Die Höhle der Glückseligkeit im Westen: Dechenphug (ca. 3000 m über NN) Planetenresonanz Jupiter
Es vergehen einige Tage bevor ich mich begleitet von einem kleinen Team ortskundiger Männer auf den Weg zur Höhle im Westen mache. Der Weg dorthin ist weit und steil und wir müssen trotz nächtlicher Minusgrade zwei Nächte im Zelt verbringen. Mein erstes Nachtlager befindet sich nahe der nepalesischen Grenze am Rande des kleinen Bauerndorfs Dechenthang, das vom nepalesischen Stamm der Limboos bewohnt wird.
Von Dechenthang aus führt der immer steiler werdende Weg meist durch Dschungel, an uralten Rhododendronbäumen und Bambus vorbei.
Die Luft wird dünner, meine Pausen werden häufiger. An einer Stelle ist der Pfad in Fels gehauen, ca. 15 cm breit und auf einer Seite sehe ich den Abgrund. Da ich nicht schwindelfrei bin, stehe ich Todesängste aus, während ich Schritt für Schritt diese Passage überquere: Ein Nadelöhr, Leben und Tod so nah beieinander! An den Rückweg mag ich gar nicht denken.
Spät erst komme ich am vorgesehenen Lagerplatz an. Trotz meiner Müdigkeit genieße ich die klare Sicht auf die Schneeberge um mich herum. Mein Zelt wird aufgestellt, ein Feuer lodert und ich genieße den Sonnenuntergang hinter den Berggipfeln. Im Osten geht der Mond bald darauf auf. Die Nacht ist klar und kalt. Da tut eine warme Nudelsuppe und gut gezuckerter Milchtee gut.
Am Lagerfeuer erfahre ich, dass die Höhle des Glücks als weibliche Höhle angesehen wird. Räumlich getrennt davon, an einem beinahe unwegbaren Steig befindet sich die zugehörige männliche Höhle, die nicht betreten werden darf, da dort ein Mönch sein Meditationsretreat durchführt: 3 Jahre, 3 Monate, 3 Tage in einer kaum zugänglichen Höhle ohne Kontakt zu Menschen. In regelmäßigen Abständen werden ihm Essensvorräte in die Nähe des Höhleneingangs gestellt.
Nach einer kalten Nacht erwache ich am nächsten Morgen kurz vor Sonnenaufgang, die Außenwelt hat sich über Nacht ein frostweißes Kleid angezogen.
Kleines Frühstück, heißer Tee und los geht es zur Höhle des Glücks, die ich nach gut 30 Minuten erreiche, die letzten Meter über Leiter und Holzsteg.
Nach der Darreichung meiner Opfergaben begebe ich mich einige Meter in die Höhle bis zur Statue der grünen Tara. Danach wird der Gang eng und niedrig und wieder beginne ich zu kriechen bis ich in eine kleine Höhle komme, die von einer Statue des Guru Padmasambhava dominiert wird. Alles ist dunkel, nur meine Stirnlampe erhellt den Raum. Hierher kommen nur sehr selten Pilger oder Pilgerinnen, zu mühsam ist der Weg. In diesem von starkem Energiefluss pulsierenden Raum fühle ich mich nicht wohl und schnell krieche ich wieder hinaus, um vor der Statue der grünen Tara zu sitzen, zu spüren, zu meditieren. Hier fühle ich mich wohl, geborgen, mein Brustraum weitet sich. Ich werde friedlich und ruhig. Von fern höre ich die kleine Trommel des Einsiedlermönchs, der in seiner Retreathöhle wohl gerade seine Gebete verrichtet (Puja). Das Energiefeld pulsiert angenehm und ich spüre den Energiezufluss aus dem kleinen Höhlenraum am Ende des Kriechgangs. Meine Sorge, dass ich die gefährliche Passage auf dem Rückweg nicht überwinden könnte, verflüchtigt sich: „Vertraue! Bleib mit deiner Energie im Hier und Jetzt, sei präsent, schau ins Licht und fühle das Glück.“ Wie ein Mantra, das durch den Energiefluss transportiert wird, wiederholt sich diese Herzensbotschaft immer wieder. „Sei präsent, schau in das Licht und fühle das Glück im Hier und Jetzt.“ Ich fühle mich kraftvoll und zuversichtlich. Ganz da, ohne Furcht.
Irgendwann drängen sich wieder Gedanken auf und unter anderem erkenne ich: Im kleinen Höhlenraum, der mir so ungemütlich war, entspringt eine Leylinie, deren Qualität einige Meter entfernt von ihrem „Quelltopf“ stärkend und belebend wirkt!
Später erfahre ich, dass neben der ca. 10 Gehminuten entfernt liegenden männlichen Höhle, also der Retreathöhle des Mönchs, eine Wasserquelle entspringt, die den Meditierenden mit Wasser versorgt. Wie wunderbar angelegt ist die Gabe von Mutter Erde: sie nährt mit stofflicher und feinstofflicher Energie. Zwei Höhlen, aus denen wie aus Brüsten erquickendes, stärkendes Labsal fließt. Was für ein Geschenk hier zu sein!
Die Höhle des Hügelgottes im Norden: Lharinyingphug (ca. 3200 m über NN) Planetenresonanz Saturn
Die Höhle des Nordens wurde vor etwa 150 Jahren von einem Jäger gefunden und öffentlich gemacht. Kraftvolle spirituelle Schätze (Terma) sollen sich hier befinden, von denen bereits einige gefunden und entschlüsselt wurden. Von vielen Einheimischen besonders verehrt wird jedoch der Schamane und buddhistische Lehrer Chakthag Rinpoche, der sich oft und lange Zeit in der Höhle und in den Wäldern der Umgebung aufgehalten hat.
Von dem kleinen Weiler Labdang führt der Weg viele Stunden in die Berge hinein. Immer wieder müssen Hangrutsche, die jegliche Zuwegung mit sich weggerissen haben, überquert werden, was auf dem sandigen Geröll nicht einfach ist.
Zudem hatte der letzte Monsunregen diejenigen Wege, die hinunter in die Flusstäler führten, weggespült. Behelfsmäßig angebrachte Bambuskonstruktionen helfen jetzt dabei irgendwie weiter zu gehen oder zu rutschen.
Löchrige Hängebrücken, ramponierte Holzstege oder einfach nur Steine führen über Flüsse und Wasserläufe.
8 Stunden bergauf, bergab, bergauf wandere ich und benötige nicht nur wegen der Steilheit des teils stufig angelegten Pfades, sondern auch angesichts der dünner werdenden Luft viele kleine Verschnaufpausen. So entsteht mein neues Motto: Mit Pausen ans Ziel.
Kurz vor dem Dunkelwerden erreichen wir unseren Lagerplatz. „Wir“, das sind ich und meine ortskundigen Begleiter, die sofort ein wärmendes Feuer entzünden und ein warmes, schmackhaftes Gemüsecurry zubereiten.
Am nächsten Morgen breche ich zeitig auf, um den knapp einstündigen, steilen Aufstieg zur Höhle zu bewältigen.
Die besondere, seltsam geheimnisvolle Energie der Höhle kündigt sich bereits frühzeitig an. Zahllose feinstoffliche Schwellen und Tore führen immer tiefer in den sakralen Bereich. Je näher ich diesem komme, desto öfter zeugen Gebetsfahnen und Steinhaufen davon, dass auch andere diese Tore und das dichter werdende Energiefeld wahrnehmen. Während ich das letzte große Tor überschreite, beginnt es sanft und ganz behutsam zu schneien. Der erste Niederschlag auf meiner Reise! Die feinstoffliche Atmosphäre, die Farbigkeit der Umgebung, die Steine und Bäume, alles um mich herum erscheinen mir wie in einer anderen Dimension befindlich, so als würde ich eine sehr klare, ehrwürdige Märchenwelt betreten. Alles ist überdeutlich wahrnehmbar. Vor einem Felsenschlupf werde ich einer Baumgruppe gewahr, folge ihrem Ruf und setze mich in ein Wurzelnest. Ich friere nicht, der Schnee fällt und mein Wacholderräucherwerk verströmt einen angenehmen Duft, den, so sagen die Ureinwohner Sikkims, die Götter und Geister so lieben.
Sitzend gehe ich in die Stille, verschmelze mit meiner Umgebung, Innenraum ist Außenraum, Außenraum ist Innenraum. Ich spüre die Bewegung der alten, bemoosten Bäume und sehe Naturwesen und Sidhe daraus hervortreten. Wir sind alle eins. Außenraum ist Innenraum. Stille und gleichzeitig ruhige, liebevolle Lebendigkeit.
Ich weiß nicht, wie lange ich in meinem Wurzelnest verweilte, bevor ich aufstehe, um mich der Höhle selbst zu nähern. – Aber wo ist der Weg? – An vielen Stellen tut sich der Fels auf, aber immer wieder gehe ich in eine Sackgasse. Schließlich finde ich einen steilen Pfad, dem ich unter Zuhilfenahme der Hände unsicher folge. Dann plötzlich ein kleines Bambusgeländer, hier könnte ich also richtig sein. Vorbei an kleinen Versturzhöhlen geht es weiter und steiler, felsiger nach oben. Natürlich habe ich Angst: es ist feucht und rutschig, ich bin allein, die Männer sind unten im Lager und wollen erst gegen Mittag nach oben kommen, um mich in meiner Wahrnehmung nicht zu stören. Aber jetzt aufgeben? Niemals! Ich vertraue und spreche wieder das Mantra: sei präsent, schau ins Licht und fühle das Glück! Endlich erreiche ich eine Art Plateau, überall befinden sich Eingänge in den Berg: echte Höhlen, Versturzhöhlen, Felsvorsprünge. Am Rand des Plateaus steht ein Stupa und unzählige Gebetsfahnen wehen sanft und feucht im Wind. Die Schneeflocken sind größer und fallen dichter.
Hier? Ist die zentrale Höhle hier? Ich suche und finde letztlich einen sehr schmalen in Fels gehauenen Steig, der weiter nach oben führt. Also weiter. Nach wenigen Metern gelange ich auf das Plateau – und bin da. Am Berghang plätschert Wasser von oben kommend und wenige Meter in den Berg hinein befindet sich eine Art Abri geformt aus heruntergefallenen Felsblöcken und einem Felsvorsprung, in der sich die Statue von Guru Padmasambhava befindet, sowie unzählige Khatas, erloschene Butterlampen und einfache Isomatten zur Meditation.
Nach Darbringung meiner Opfergaben gehe ich in die Stille. Angekommen. Mein Atem wird ruhiger, mein Geist öffnet sich langsam in die Weite, – und dann: Nichts. Absolute Leere. Point Zero. Nullpunkt. Mein Körper fühlt sich an wie ein Fremdkörper. Ich bin da und doch bin ich nicht da. Nichts. Mein letzter Schritt, das Ende der Kora, fällt zusammen mit meinem ersten Schritt in eine noch ungestaltete Zukunft: das Tun entwickelt sich aus dem Sein. All meine Erwartungen und Zukunftspläne zerfallen in Nichts. Es ist, als hätte jemand die Reset-Taste gedrückt, Zurücksetzen auf die Werkseinstellung. Alles auf Null, hier endet jeder Versuch zu verstehen. Der Zustand ist kaum zu ertragen und trotzdem bleibe ich solange sitzen bis ich meine Zehen und Finger nicht mehr spüre. Die Kälte hat sich meines Körpers bemächtigt.
Zeilen aus einem Gedicht, das ich mit 17 Jahren geschrieben habe fallen mir ein:
Und plötzlich weißt du,
Dass es das Nichts ist,
Das ALLES gibt,
Und endlich,
Endlich ist dein Verlangen satt.
Und deine Sehnsucht gestillt.
Die Höhle des Hügelgottes im Norden. Ein Ort, in dem das Nichts erfahrbar wird und die Basis für ein neues Erleben geschaffen wird.
Als Geomantin habe ich eine ähnliche oder gleiche Kraftortqualität noch nie erlebt.
In unendlich langsamen Schritten und innerlich völlig orientierungslos macht sich etwas, was sich nach einiger Zeit wieder „ich“ nennen wird, auf den Rückweg. Als ich im Lager ankomme, schneit es nicht mehr.
Die Vier Heiligen Höhlen und ihre Beziehung zum Berg Tashiding
Die vier heiligen Höhlen rund um Tashiding bilden nicht nur das Rad des Jahres mit den 4 Hauptachsen der Sonnenfeste ab, sondern bilden in ihrem Zusammenspiel eine Energieebene, die den heiligen Berg quasi trägt. Wie der kosmische Weltenberg Meru auf dem Nabel der Erde, der auf dem Nabel der Erde steht, so steht der Berg Tashiding auf dem Nabel Sikkims und „schwimmt“ gleichsam in und auf dem feinstofflichen Energieplateau, das durch die Kraft der 4 Höhlen und der sie umgebenden Landschaft erzeugt wird.
Tashiding ist meiner Ansicht nach nicht nur das Herz Sikkims, sondern genauso wie der Untersberg im Salzburger / Berchtesgadener Land und Avalon (Glastonbury) in Südengland ein Herzchakra der Erde.
Meine Zuordnung ist folgende:
Tashiding ist ein Herzchakra auf der astralen Formebene, der Ebene der Urbilder und Symbole. Das zugehörige Element ist das Wasser, das Thema Reinigung.
Avalon ist ein Herzchakra auf der ätherischen, vitalenergetischen Ebene, die vor allem von der prägenden Anwesenheit von Naturtempeln, Elementarwesen und morphogenetischen Felder gekennzeichnet wird. Das Element ist Feuer und das Thema oft Heilung.
Der Untersberg ist ein Herzchakra, dessen Wirkung hauptsächlich auf der Formebene wahrzunehmen ist. Hier spielt das Thema Polaritäten (z.B. männlich- weiblich) und die energetische Dynamik, die sich zwischen den Polen entfaltet eine große Rolle. Das Element ist Erde und das Thema Verwurzelung.
Die Zuordnung der drei Herzchakren der Erde zu den einzelnen Dimensionen oder Ebenen soll nicht davon ablenken, dass das feinstoffliche Energiefeld von den Qualitäten Mitgefühl und Liebe geprägt ist, die in alle und alles hineinfließt. An allen drei Orten hat das Element Wasser als Energieträger eine besondere Bedeutung. Außerdem ist es kennzeichnend, dass sich im Umraum um Tashiding, Avalon und den Untersberg viele kleinere und größere Kraftorte befinden, deren feinstoffliche Potenz dem jeweiligen Herzchakra zufließt und / oder, die in umgekehrter Weise die Herzenskraft weiter in das Land hinein verteilen. Um den Untersberg herum sind es zum Beispiel die 12 Untersbergkirchen. Um Avalon herum finden sich viele Naturtempel und im weiteren Umfeld Silbury Hill und Stonehenge. Und um Tashiding herum sind es vor allem die vier heiligen Höhlen.
Ich bin mir sicher, dass es noch einige Orte mehr auf der Erde gibt, gegeben hat und geben wird, die wir intuitiv als Herzchakra der Erde wahrnehmen können.
Nachwort und Danksagung:
Weil es in Sikkim keine Wanderkarten gibt und die Wege und Pfade nicht beschildert oder teilweise durch Naturkatastrophen zerstört sind, ist es nötig einen guten Guide zu haben, der / die sich auskennt, passende Unterkünfte organisiert und ein Gespür für feinstoffliche Wechselwirkungen im Naturraum hat.
In Herrn Tsteten Norbu Bhutia und seinem Team habe ich hervorragende Begleiter gefunden. Ohne die Hilfe, Fürsorge, Planung und das kompetente Insiderwissen von Tseten wäre für mich diese Reise so nicht möglich gewesen.
Das Team (nicht vollständig):
DANKE!